Objektivtest: Meyer-Optik Görlitz Primotar 180mm 3.5 (M42) an Sony A7II

Geschichte

Das Meyer-Optik Görlitz Primotar 180mm 3.5 ist nicht unbedingt ein seltenes Objektiv, schließlich wurden die Primotare schon in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts entwickelt und bis in die 60er Jahre gebaut. „Abgelöst“ wurde das Primotar 180mm dann vom Orestegor 200mm. Das Objektiv kostete mich 20 Euro und dazu noch Versandkosten und ist in einem akzeptablen Zustand. Angesichts der Mondpreise auf eBay von 70 bis knapp 300 Euro ein echtes Schnäppchen.

Das Primotar 180mm 3.5 ist insgesamt ein wirklich solides Objektiv. Keine krassen Stärken, aber auch keine richtigen Schwächen, die das Gesamtbild trüben. Es ist halt ein Brocken, der zum Fokussieren auch ordentlich gedreht werden will.

Eckdaten

  • Bajonett: M42
  • Brennweite: 180mm
  • Lichtstärke: 3.5
  • optischer Aufbau (Elemente/Gruppen): 4/3
  • Blendenlamellen: 15
  • Naheinstellgrenze: 220cm
  • Filterdurchmesser: 67mm
  • Gewicht: 800g

Bilder Objektiv

Praxiserfahrung

Das Primotar 180mm 3.5 ist äußerlich nicht gerade im besten Zustand, Blende funktioniert aber super und das Glas ist sauber. Spricht für die Wertigkeit.

Die Schärfe ist ganz gut bei Offenblende und leicht abgeblendet wird sie noch etwas besser. Mehr Schärfe geht immer, aber hier gibt’s nichts auszusetzen. Die Blende lässt sich durchgehend verstellen, d.h. kein Einrasten. Das Bokeh bei 180mm ist natürlich sofort recht cremig, dennoch auch sehr harmonisch. Die Bubbles sind sehr schön. Insgesamt nicht die Bestnote für das Bokeh, aber schon beeindruckend. Die Farben sind OK, ein Flektogon ist da wesentlich knackiger und hat gesättigtere Farben. Das Primotar schafft es nicht immer solch gute Farben auf den Sensor zu bringen. Andererseits sackt es aber auch nicht so krass ab wie viele anderen alten Objektive, d.h. ein blasses und kontrastloses Bild bekommt man fast nie zu sehen. In der Nachbearbeitung sind die Bilder natürlich dann auch leicht zu korrigieren und zu optimieren, d.h. Dynamik und ggf. Sättigung etwas hochziehen und dann passt es auch.

Chromatische Aberrationen sind vorhanden, offenblendig dominiert v.a. grün aber irgendwie stört es nicht wirklich. Im Gegenteil, gerade bei den Bubbles gehört das zum Look des Objektivs. Pink sieht man eher in Extremsituationen nur leicht hervortreten. Entfernen lassen sich die chromatischen Aberrationen aber problemlos.

Nicht ganz einfach ist das Fokussieren; der dicke Primotar Brummer will bewegt werden! Man kann und muss teils sehr fein fokussieren – bis zu einer Entfernung von ca. 60m bevor es auf  Unendlich fokussiert. Das geht nicht unbedingt locker von der Hand, gerade auch wenn bewegende Motive zu sehen sind. Andere Objektive bzw. kürzere Brennweiten haben die Unendlichkeitseinstellung meist viel näher.

Dazu kommt noch eine Besonderheit bei manch spiegellosen Kameras: Schwarze Streifen oben oder unten im Bild. Beim ersten Test habe ich mir damit ca. die Hälfte der Bilder versaut und fand keine Lösung. Erst als ich in einer Gruppe die Bilder zeigte kamen entsprechende Hinweise auf den Auslöer: Elektronische erster Verschlussvorhang. Sony schreibt dazu:

WICHTIG: Setzen Sie den elektronischen ersten Verschlussvorhang in den folgenden Situationen auf Aus.

  • Bei Aufnahmen mit kurzer Verschlusszeit und einem Objektiv mit großem Durchmesser (großer Blende)Wenn der elektronische erste Verschlussvorhang auf Ein gesetzt ist, kann je nach Motiv und Aufnahmebedingungen eventuell Ghosting eines unscharfen Bereichs auftreten. Setzen Sie die Funktion in solchen Fällen auf Aus.

In der Praxis sind das eben schwarze Balken bei diesem Objektiv. Die treten dann ab ca 1/1600s auf. Nach dem Deaktivieren des elektronischen ersten Verschlussvorhangs gab es gar keine Probleme mehr.

Focuspeaking könnte besser funktionieren, hier sind teilweise die Bubbles wie auch unscharfe Bereiche als scharf gekennzeichnet. Der interne Stabilisator an der A7II funktioniert hingegen wirklich super. Auch Filmaufnahmen aus der Hand mit 180mm sind locker möglich. Bei guten 20 Euro Anschaffungspreis in meinem Fall kann ich nicht meckern, Objektiv wird aber sicher früher oder später wieder den Besitzer wechseln weil unhandlich. Dennoch sehr nett.

Video: Meyer-Optik Görlitz Primotar 180mm 3.5 (M42)

Bilder: Meyer-Optik Görlitz Primotar 180mm 3.5 (M42)

3 Gedanken zu „Objektivtest: Meyer-Optik Görlitz Primotar 180mm 3.5 (M42) an Sony A7II“

  1. Hallo Thomas,

    schön Vorstellung des Primotars. Bin Meyer Sammler (und gleichzeitig auch Anwender) und habe das Objektiv in Bestzustand. Deine bezahlten 20€ sind fair für den äußerlich abgerockten Zustand. :D

    Was noch erwähnenswert ist/bzw. vergessen wurde:

    – Stativanschluss drehbar
    – es gibt eine original Meyer Sonnenblende dazu (meist etwas zu kurz in der Praxis)
    – Anschlüsse neben M42 auch mit Exakta (Außenbajonett)
    – diese Version gibt es aus den beginnenden 50ziger Jahren auch in Alu silber (seltener)

    Die Beispielbilder sind sehr gelungen! Video auch sehr informativ.

    VG ins schöne Allgäu aus bayrisch Schwaben

    Sven

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    • Dankeschön, es freut mich immer wieder wenn ich Infos zu Altglas bekomme – vieles sucht man sich ja hier und da mühsam zusammen. Das Primotar war außen Pfui und innen Hui und für das Geld konnte man nicht meckern. Klar, kein Revenue 55 1.2 für 20 Euro, aber so Schnäppchen macht man wohl auch nur 1x im Leben.

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      • Hallo Thomas,

        kein Ding, bin ja auch der Altglassucht unterlegen. Glaube ca. 70-80 Linsen tummeln sich hier mittlerweile. :D

        Schnäppchen habe ich schon einige gemacht, glaube ein Helioplan 4, 5 f=10cm für 5€ letztens erst. Dann macht das Objektiv gleich noch mehr Spaß!

        Servus Sven

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